Warum hat mich niemand gewarnt?

Written by on 21. April 2021

Warum hat mich niemand gewarnt?

Wo Stefan ist, ist vorne. Erfolgreiches Studium, Auslandssemester, immer beliebt, ein Go-to-Guy. Eloquent, ehrgeizig, dynamisch. Erster Job bei einem internationalen Markenartikler. Trainee-Programm erfolgreich absolviert, dann Brand Manager. Voller Einsatz, immer erreichbar, jede zusätzliche Herausforderung angenommen. „Klar, krieg ich hin, her damit.“ Und es zahlt sich aus. Die Marke ist erfolgreich, das Feedback ist toll, das Gehalt steigt, die Chefin ist zufrieden. Also kommt es, wie es kommen muss: Es wird ein neuer Team Lead gesucht, Category Manager. Und Stefan wird der Job angeboten. Endlich!

Natürlich nimmt Stefan den Job an. Führungsverantwortung ist doch bei erfolgreicher Arbeit der nächste logische Schritt. Auch das schafft er, keine Frage, da ist er ganz sicher. Schließlich ist er ein guter Brand Manager und bei den Kolleg*innen beliebt, was soll da schon schiefgehen? Seine Freunde ermutigen ihn. Seine Chefin sagt ihm auch, dass er das hinkriegt, er ist doch ein Rising Star. Nein, spezielle Vorbereitung auf die erste Führungsrolle gibt es bei der Firma nicht, aber das wird schon. Auch Stefans Chefin ist überzeugt, dass Stefan das nötige „Führungstalent“ hat.


Von einem Tag auf den anderen Führungskraft

Plötzlich ist Stefan der Vorgesetzte von fünf anderen Brand Manager*innen im Team. Natürlich will er weiter ein Teamplayer sein, aber andererseits hat seine Chefin ihm gesagt, er müsse sich ein wenig abgrenzen – er ist ja jetzt der Vorgesetzte. Also gibt er sich mal kumpelhaft und ansprechbar, dann wieder überlegen und im Detail besserwisserisch – schließlich weiß er doch genau, wie erfolgreiches Brand Management funktioniert. Sein Team ist zunehmend verunsichert.

Mit den anderen Category Manager*innen ist das auch so eine Sache. Natürlich sind die zum Teil schon lange im Job, aber er will sich von denen keine Ratschläge lassen. Eher will er ihnen mal mit dem Blick des Neuen erklären, was bis jetzt im Category Management des Unternehmens noch nicht optimal läuft. Schließlich will er sich auch schon mal ein wenig für die nächste Beförderung in Stellung bringen. Also versucht er in den Meetings mit der Geschäftsführung gut auszusehen, auch wenn das hier und da mal zu Lasten der anderen Category Manager*innen geht. Es hat auch schon mal die eine oder andere kritische Stimme über ihn bei der Geschäftsführung gegeben.

Aber er hängt sich voll rein. Klar, es sind jetzt noch mehr Termine, E-Mails, Slack-Channels und Projekte – aber das geht schon. Er verzichtet halt erstmal auf den Sport und schläft etwas weniger. Und das Wochenende ist ja auch noch da, um Sachen aufzuarbeiten. Seine Freundin ist langsam etwas beunruhigt, auch weil er abends schlecht abschalten kann und gereizter ist als früher.

Nach ein paar Monaten ist auch Stefan nicht mehr ganz wohl in seiner Haut. Er merkt, dass es irgendwie nicht so gut läuft. Er hat Gegenwind, obwohl er sich doch voll reinhängt – irgendwie auch ungerecht, er hat doch einfach nur zu viele Bälle in der Luft …


Und schon wieder kommt es, wie es kommen muss

Heute hat seine Chefin ihm gesagt, dass die Geschäftsführung und sie entschieden haben, ihm die Teamleitung und das Category Management erstmal wieder zu nehmen und es kommissarisch einer der erfahreneren Category Managerinnen zu übertragen. Es soll erstmal wieder als Brand Manager arbeiten, es war wohl doch noch etwas zu früh für ihn. Was für eine Niederlage! Stefan wird sich wohl einen neuen Job bei einer anderen Firma suchen, so ungerecht will er sich einfach nicht behandeln lassen.


Was ist da schiefgegangen?

Strategy.

Stefan hat die Beförderung wie selbstverständlich angenommen. Er hat sich nicht ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt, ob er schon so weit ist, was ihm vielleicht an Wissen fehlt, wie er sich vorbereiten sollte, was er in einer Führungsrolle für Ziele hat und welchen Sinn er darin finden will oder wer ihn unterstützen könnte. Er hat seine Ausgangsposition und das System, in dem er sich bewegt, nicht hinreichend analysiert und hat keinen strategischen Plan für sich und sein Umfeld entwickelt. Zudem hat er es hingenommen, dass seitens seines Arbeitgebers keine Vorbereitung auf seine neue Rolle geplant ist, weil er ja schließlich nicht nur fachlich gut ist, sondern auch „Führungstalent“ hat.

Stefan ist, vorsichtig formuliert, etwas blauäugig an die Sache herangegangen. Wenn er damals seine neue Aufgabe als Brand Manager so angefangen hätte, dann hätte das wohl auch nicht funktioniert. Aber da war es für ihn selbstverständlich, den Markt zu analysieren, die Kunden und Buyer Personas zu betrachten, einen Marketingplan zu entwickeln … Ähnlich hätte er es auch bezogen auf die Frage machen sollen, wie er sinn- und planvoll an seine erste Führungsaufgabe herangehen könnte. Luck is preparation meeting opportunity – aber gut vorbereitet hat sich Stefan leider nicht.


Mindfulness.

Stefan hat sich über alle Maße engagiert, aber er hat dabei übersehen, dass Erfolg sich auch in der Führung nicht einfach durch mehr zeitlichen Einsatz herbeiführen lässt. Dass zu viel Stress auf Dauer nicht gut für die eigene kognitive Leistungsfähigkeit ist. Dass Führungsfähigkeit mit wertschätzender Kommunikation zu tun hat. Dass weniger Schlaf, Verzicht auf Sport und Abstriche in der Beziehung zur Partnerin oder den Freunden seine Ausgeglichenheit in Mitleidenschaft ziehen und ihn zu einem gereizteren Zeitgenossen machen.

Stefan hat ignoriert, dass er nur in dem Maße gut zu anderen und für andere sein kann, wie er auch gut zu sich ist und seine Bedürfnisse erkennt und ihnen genug Raum gibt. Dass das Arbeiten mit Teams und erst recht ihre Führung von emotional intelligentem Umgang mit den Mit-Arbeitenden, die immer auch Mit-Menschen sind, abhängig ist. Er hat es an Achtsamkeit und an Empathie fehlen lassen.


Integrity.

Stefan hat seinem Ego freien Lauf gelassen. Kaum befördert hat er sich schon gefragt, was er wohl als nächstes erreichen kann. Er hat seinen Ehrgeiz über die Integrität seines Verhaltens gestellt, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Das mag kurzfristigen taktischen Nutzen versprechen, aber es kann – wie in Stefans Fall – auch schnell nach hinten losgehen.

Hoffentlich erkennt Stefan die Chance, die darin liegt, dass es für ihn jetzt gerade einmal nicht quasi von alleine läuft. Hoffentlich hört er nicht auf sein Ego und verlässt einfach das Unternehmen, sondern schaut einmal etwas länger in den Spiegel, der ihm vorgehalten wird.

Führung braucht Sinn, Ziele, einen Plan, emotionale Intelligenz und geklärte Werte, um erfolgreich zu sein.

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BE.DIFFERENT.
LEAD.SMART.






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